Editorial
In dieser Ausgabe diskutieren wir, was das Nein zum Autobahnausbau für die Verkehrswende bedeuten könnte.
Die Finanzplatzinitiative wurde lanciert. Und der neue Klima-Masterplan zeigt auf, welche Massnahmen nötig wären, damit die Schweiz bis 2035 das Netto-null-Ziel erreicht.
Wir berichten über den Ausbau von Solarstrom und darüber, dass wir viel Energie verschwenden, die Politik aber nichts dagegen unternehmen will. Die CO2-Kompensation bleibt weiter in der Kritik.
Die internationalen Klimaverhandlungen am COP29 haben wenig Resultate gebracht, und auch bei den Plastik- und Biodiversitätsabkommen gab es wenig Einigung.
Wir zeigen auf, was Trumps Sieg für den Klimaschutz bedeuten könnte.
Mehrere Studien zeigen, dass die Länder nach wie vor zu wenig für den Klimaschutz machen. Sie mogeln auch, indem sie sich ihre Wälder an die Klimaziele anrechnen. CO2-Emissionen und -konzentration erreichen 2024 Rekordhöhen. Eine neue Studie rechnet vor, dass durch die Klimakrise bis 2050 die globale Wirtschaft um fast 20% schrumpfen wird. Klimawissenschaftler:innen warnen einmal mehr: «Wir stehen am Rande einer irreversiblen Klimakatastrophe. Dies ist zweifellos ein globaler Notstand. Ein Grossteil der Lebensgrundlagen auf der Erde ist gefährdet. Wir treten in eine kritische und unvorhersehbare neue Phase der Klimakrise ein.»
Warum wir mehr als nur Hoffnung brauchen, um den Planeten zu retten, erläutern wir am Ende der Klima-Zeitung.
Schweiz
Nein zum Autobahnausbau. Ja zur Verkehrswende?
Die Schweizer Stimmbevölkerung will das Autobahnnetz nicht ausbauen. 52,7% lehnten das 4,9 Milliarden Franken teure Paket ab, das den Ausbau von sechs Projekten vorsah; die Stimmbeteiligung betrug 45,1%. Die Westschweiz, das Tessin sowie auch viele ländliche Deutschschweizer Kantone stimmten nein, auch in Basel-Stadt, Bern, Genf und Waadt, wo Ausbauprojekte realisiert werden sollten. In St. Gallen und Schaffhausen, wo zusätzliche Tunnelröhre geplant waren, lehnte die Stadtbevölkerung die Vorhaben ebenfalls ab. Nur im Mittelland und in der Ostschweiz stiess der Autobahnausbau über mehrheitlich auf Zustimmung.
Was sind die Gründe für das Nein? Die «Beton-Euphorie» sei vorbei, meint der Tages-Anzeiger (paywall). Die NZZ (paywall) spricht von einem «Totalschaden» für Albert Rösti, der sich für die Vorlage eingesetzt hatte. Mehr dazu bei SRF. Die Nachwahlbefragung von 20 Minuten und Tamedia bringt deutliche Unterschiede nach Geschlecht und Einkommen ans Licht. 61% der Frauen lehnten den Autobahnausbau ab, ebenso Personen mit tieferem Einkommen. Hingegen stimmten Männer (mit 56%) sowie Gutverdienende dem Ausbau zu. Mehr dazu im Tages-Anzeiger und in der Wochenzeitung.
Vor der Abstimmung war bekannt geworden, dass die erwarteten Kosten mit 7,1 Mrd. Franken deutlich höher ausfallen als die vom Bund angegeben 4,9 Mrd., wie der K-Tipp (paywall) aufzeigte. Mehr dazu in der NZZ (paywall). Im Vorfeld hatten sich zudem über 340 Mobilitätsfachleute gegen den Ausbau der Autobahnen ausgesprochen, weil dies zu mehr Verkehr und Stau führe und alternative Mobilitätslösungen und die Stadtentwicklung nicht berücksichtigt würden (Tages-Anzeiger).
Welche Forderungen werden nun erhoben? Die Grüne Partei will das Geld aus dem Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrsfonds (NAF) für Klimaschutzmassnahmen einsetzen: Ausbau des öffentlichen Verkehrs, des Velo- und Fussverkehrs sowie Lärmschutz und auch Anpassungen an den Klimawandel, etwa im Berggebiet. Um dies zu realisieren, braucht es eine gesetzliche Änderung des Fonds, den das Stimmvolk 2017 gutgeheissen hatte. Mehr dazu in der NZZ (paywall) und im Tages-Anzeiger (paywall). Diskutiert wird auch wieder über eine dynamische Preisgestaltung und über Staugebühren. Statt neue Strassen zu bauen, soll der Verkehr über den Preis gelenkt werden. Mehr dazu auf SRF und im Sonntagsblick.
SP-Nationalrat Jon Pult hält eine Zweckentfremdung der NAF-Gelder, etwa für den Klimaschutz, nicht für mehrheitsfähig. Stattdessen soll mehr Geld aus dem Fonds in den Agglomerationsverkehr fliessen, ist in der Wochenzeitung zu lesen. Derzeit sind es zwischen 9-12% der jährlichen NAF-Geld, laut Pult soll der Anteil verdoppelt werden.
Was sind die Auswirkungen auf die Verkehrspolitik? Der Bund überprüft nun sämtliche Nationalstrassen-Bauprojekte. Dabei handelt es sich um 24, zum Teil schon fortgeschrittene Ausbaupläne mit einem Volumen von 18 Milliarden Franken, wie SRF berichtet. Laut dem Bundesamt für Strassen Astra sollen die Projekte zwar weitergeführt werden. Doch es wird geprüft, wann und ob diese für die nächsten Ausbauschritte berücksichtigt werden. Auch Bundesrat Albert Rösti räumt in der NZZ am Sonntag (paywall) ein, dass ein durchgehender Ausbau der A 1 auf sechs Spuren derzeit vom Tisch sei. Die Republik skizziert, wie die Mobilität der Zukunft aussehen könnte.
Finanzplatzinitiative: Für klimataugliche Finanzflüsse
Der Schweizer Finanzplatz verwaltet rund ein Fünftel der weltweiten Vermögen, die grenzüberschreitend angelegt werden. Da mit diesen Geldern auch Investitionen an Unternehmen im Kohle-, Erdöl- und Erdgasgeschäft getätigt und Kredite vergeben werden, ist der Schweizer Finanzplatz für enorme Mengen an Treibhausgasemissionen mitverantwortlich.
Gemäss einer Berechnung der Unternehmensberater:innen von McKinsey von 2022 entsprechen diese mindestens der 18-fachen Mengen der gesamten inländischen Emissionen der Schweiz. Dies steht im Widerspruch zum Pariser Klimaabkommen, wonach die weltweiten Finanzflüsse auf eine treibhausgasarme Entwicklung ausgerichtet werden sollen.
Nun hat eine Allianz von Umweltorganisationen, der SP und der Grünen die Finanzplatz-Initiative lanciert. Sie soll verhindern, dass Schweizer Banken und Versicherungen weiterhin Projekte ermöglichen, die den Klimawandel beschleunigen. Für die Sammlung der 100'000 Unterschriften, die es für eine Volksabstimmung braucht, bleiben 18 Monate Zeit.
Die Initiative «Für einen nachhaltigen und zukunftsgerichteten Finanzplatz Schweiz» will den Bund dazu verpflichten, sich für eine ökologisch nachhaltige Ausrichtung des Schweizer Finanzplatzes einzusetzen. Damit soll sichergestellt werden, dass Schweizer Banken, Vermögensverwalter, Versicherungen und auch Pensionskassen ihre Geschäftstätigkeiten im Ausland an den internationalen Klima- und Biodiversitätszielen ausrichten. Zudem soll gesetzlich ausgeschlossen werden, dass Schweizer Finanzfirmen die Erschliessung und die Nutzung neuer fossiler Energievorkommen oder den Ausbau bestehender Anlagen finanzieren oder versichern. Um die Vorgaben durchzusetzen, soll eine Aufsichtsbehörde die Kompetenzen zu Kontrollen und Sanktionen erhalten. Mehr dazu in der Wochenzeitung (paywall) und in der NZZ (paywall).
Bis heute haben es Bundesrat und Parlament stets abgelehnt, verbindliche Klimaregeln für den Finanzplatz zu erlassen. Stattdessen vertraut der Bundesrat auf freiwillige Branchenlösungen. Auch beim jährlichen Klimatest des Bundes ist die Teilnahme der Finanzinstitute freiwillig. Anfang November wurden die Ergebnisse der aktuellen Umfrage präsentiert. Dabei zeigt sich, dass Erdölfirmen, an welchen Banken, Versicherungen und Pensionskassen weiterhin beteiligt sind, ihre Förderkapazitäten ausgebaut haben.
Hier können Bögen zur Unterschriftensammlung heruntergeladen werden.
Nicht nur der Schweizer Finanzplatz heizt das globale Klima auf. Die hier ansässigen Rohstoffhändler sind für riesige Mengen an Treibhausgasen verantwortlich. Die Nichtregierungsorganisation Public Eye zeigt in einem Bericht auf, dass die CO2-Emissionen von Kohle, Erdöl und Erdgas, welche die Rohstofffirmen vertreiben, im letzten Jahr 100 Mal grösser waren als jene der gesamten Schweiz. Die Firmen selbst weisen deutliche tiefere Emissionen aus. Dabei berücksichtigen sie meist nur die Emissionen der eigenen Produktionsanlagen sowie des Transports. Public Eye zählt auch die indirekten Emissionen dazu, die bei beim Verbrennen der fossilen Rohstoffe entstehen. Mehr dazu im Sonntagsblick (paywall).
Rückschritte in der Klimapolitik – kann die Verfassung helfen?
Das Parlament diskutiert in der laufenden Wintersession über das Sparprogramm des Bundesrats, das dieser im September vorgestellt hatte. Der Nationalrat hat bereits entschieden, im Klimaschutz-Gesetz (KIG) für den Heizungsersatz vorgesehene Geld im Umfang von 54 Millionen Franken zu streichen. Der Ständerat könnte weitere Kürzungen beschliessen.
Erst 2023 hatte das Stimmvolk dem Klimaschutz-Gesetz zugestimmt und damit auch einem Betrag von 200 Millionen Franken pro Jahr, um fossile Heizungen durch erneuerbare zu ersetzen. Der Verein Klimaschutz Schweiz kritisiert, dass das Parlament den Volkswillen auf krasse Weise missachte. Der Bundesrat wollte auch Subventionen für Nachtzüge sowie für E-Busse und E-Schiffe streichen. Es zeichnet sich ab, dass diese Gelder vom Parlament nicht gekürzt werden.
Für die Umsetzung des Klimaschutz-Gesetzes hat sich der Bundesrat sehr viel Zeit gelassen. Die Verordnung zum KIG tritt Anfang 2025 in Kraft, zusammen mit dem Klimaschutzgesetz (auch wenn Teile davon nun bereits vom Parlament wieder geändert wurden). Darin werden unter anderem die im KlG vorgesehenen Förderinstrumente für die Industrie und den Gebäudesektor präzisiert. Wie die im KIG festgeschriebene Vorbildfunktion des Bundes umgesetzt wird, bleibt offen. Die entsprechenden Umsetzungsbestimmungen «bedürfen weiteren Abklärungen», heisst es dazu in den Erläuterungen zur Verordnung. Eine Bestandsaufnahme der neuen Klimaschutzregeln macht Klimajournalistin Alex Tiefenbacher im Podcast Treibhaus.
Reichen die Massnahmen, welche die Schweiz gegen den Klimawandel ergreift? Nein, glauben über zwei Drittel der Bevölkerung. Das zeigt eine umfassende Meinungsumfrage des Instituts GFS Bern im Auftrag der SRG. Für die repräsentative Umfrage wurden zwischen Mai und Juni 2024 über 50'000 Personen befragt. Mehr dazu bei SRF.
Dass die Schweiz zu wenig gegen den Klimawandel unternimmt, davon ist auch Marcel Hänggi überzeugt, Initiator der Gletscherinitiative und bei Klima-Info aktiv. Dabei wären die rechtlichen Grundlagen eigentlich vorhanden, zeigt er in seinem neuen Buch «Weil es Recht ist – Vorschläge für eine ökologische Bundesverfassung» auf. Die Bundesverfassung bietet laut Hänggi eine gute Basis für Klimaschutz. Allerdings brauche es verschiedene Revisionen, um die Umwelt zu schützen und eine lebenswerte Zukunft zu schaffen. Nebenbei bietet das Buch eine erhellende Zusammenfassung der Schweizer Umweltpolitik der letzten Jahrzehnte. Mehr dazu auf SRF und in der Wochenzeitung.
Ansätze für mehr Klimaschutz gibt es auch auf unternehmerischer Ebene: neue Firmen, die in Klimaschutz, Kreislaufwirtschaft oder andere Zukunftsbranchen investieren. In der Schweiz gibt es heute bereits über 600 Start-ups im Cleantech-Bereich, wie die Publikation CleantechAlps zeigt.
Netto-null bis 2035? Der Klima-Masterplan zeigt wie
Die Klima-Allianz Schweiz, der über 150 Organisationen aus der Schweiz angehören, aktualisiert den Klima-Masterplan von 2016. Er zeigt auf, welche Massnahmen dringend ergriffen werden müssen, damit die Schweiz bis 2035 auf Netto-Null kommen kann, ohne ihr CO2-Budget zu überschreiten.
Der Plan, der sich auf die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse stützt und als aktuelle Handlungsanleitung für die schweizerische Klimapolitik konzipiert ist, umfasst 11 Bündel politischer Instrumente. Dazu zählen:
Strikte Emissionsabgaben, eine Aufstockung der Finanzmittel, Heizungstausch und energetische Sanierungen, Umlenken der Finanzflüsse, weniger Mobilität, E-Mobilität und Ausbau des Öffentlichen Verkehrs, grüne Transformation von Ernährung und Landwirtschaft. Mit dem Mix aus klimafreundlichen Investitionen und politischen Schritten soll die Transformation hin zu einer klimaverträglichen Gesellschaft beschleunigt werden. Die im November vorgestellte Version wurde von Expert:innen der Mitgliedsorganisationen der Klima-Allianz ausgearbeitet. Bis Anfang Dezember lief die Vernehmlassung dazu. Die definitive Version wird Anfang 2025 veröffentlicht.
Steuersubventionen schaden dem Klima
Steuervergünstigungen etwa für Pendler:innen kosten den Staat nicht nur viel Geld, sie sorgen auch für zusätzliche Treibhausgasemissionen. Forschende der ETH Lausanne haben berechnet, wie grosse die Effekte sind. Untersucht wurden die Mehrwert-, die Einkommens- und die Mineralölsteuer sowie verschiedene Subventionen. Das Ergebnis: Die Steuerausfälle betragen pro Jahr bis zu 4,6 Milliarden Franken. Würde darauf verzichtet, könnten jährlich zu 2,5 Millionen Tonnen CO2 eingespart werden, 6% des Gesamtausstosses in der Schweiz. Mehr auf SRF.
Drei Bereiche fallen besonders ins Gewicht:
- Der internationale Flugverkehr muss weder die Mehrwertsteuer noch die Mineralölsteuer bezahlen. Dem Bund entgehen dadurch mehr als 1,3 Milliarden Franken an Steuereinnahmen pro Jahr. Ohne die Steuersubventionen wäre der jährliche CO2-Austoss gemäss der Studie um 1,5 Millionen Tonnen geringer.
- Bei der beruflichen Mobilität schaden Steuervergünstigungen für das Pendeln mit dem Auto, Firmenwagen und Gratisparkplätze dem Klima. Würden diese Abzüge abgeschafft, könnten über 600’000 Tonnen CO2 eingespart werden.
- Der Lastwagenverkehr kommt mit der Leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe (LSVA) nicht für sämtliche von ihm verursachten externen Kosten auf. Zudem sind leichte Nutzfahrzeuge von der LSVA befreit. Müsste der Güterverkehr die externen Kosten vollständig decken, würde der CO₂-Ausstoss um über 200’000 Tonnen sinken.
CO2-Kompensationen weiter in der Kritik
Der motorisierte Verkehr ist für ein Drittel der CO2-Emissionen der Schweiz verantwortlich. Anders als auf Heizöl und Erdgas wird auf Benzin und Diesel keine CO2-Abgabe erhoben. Stattdessen sind die Treibstoffimporteure gesetzlich verpflichtet, einen Teil der Treibhausgasemissionen aus dem Verkehr mit Klimaschutzprojekten im In- und Ausland zu kompensieren. Weil der Sektor seit Jahren die Klimaziele verfehlt, sollten die Regeln verschärft werden: Mehr CO2 sollte kompensiert werden und mehr davon in der Schweiz.
Doch nun hat der Bundesrat auf eine Verschärfung verzichtet. Dem Entscheid ist ein Treffen von Bundesrat Albert Rösti und Vertretern des Bundesamts für Umwelt (BAFU) mit den Treibstoffimporteuren vorausgegangen, schreibt der Tages-Anzeiger (paywall). So ist der Branche gelungen, strengere Vorgaben zur CO2-Kompensation abzuwenden. Klimaschützer:innen kritisieren die «problematische Nähe» von Bundesrat Albert Rösti und seinen Fachleuten zur Treibstofflobby.
Die Kompensationsgeschäfte wickelt die Stiftung Klik (Klimaschutz und CO₂-Kompensation) ab, im Auftrag der Treibstoffbranche. Für die Finanzierung der Zertifikate können Tankstellen eine Zuschlag von maximal 5 Rappen pro Liter erheben. Wie das Online-Magazin Lamm aufzeigt, hat Klik den Aufschlag seit Anfang Jahr auf 8 Rappen erhöht. Allerdings ist der Aufschlag im Vergleich zur CO2-Abgabe auf Brennstoffe immer noch sehr tief. Und er widerspricht dem Gesetz. Nun will das BAFU das Vorgehen der Branche überprüfen.
Klik sorgt derzeit auch mit zwei ihrer Auslandsprojekte für negative Schlagzeilen: eines in Ghana und eines Thailand. In Ghana kommen mit dem Geld aus der Schweiz effizientere Kochöfen zum Einsatz, bisher sind rund 18'000 Stück verkauft worden. Damit sollen weniger gesundheitsschädigender Feinstaub und CO₂-Emissionen entstehen. Eine Recherche der NGO Alliance Sud zeigt, dass die erzielten CO2-Einsparungen viel geringer sein werden als bei der Projektplanung angenommen wurde. Mehr dazu auf SRF.
In Thailand finanziert Klik Elektrobusse, die in Bangkok eingesetzt werden. Damit sollen sämtliche Busse mit Verbrennungsmotoren ersetzt werden. Das Problem: Das thailändische Unternehmen, das die Elektrobusse betreibt, wurde neu gegründet. Es kann folglich selbst keine alten Bussen aus dem Verkehr ziehen. Wie die Republik aufzeigt, ist bisher ein einziger Bus verschrottet worden. Der Herstellerin der Busse wird zudem vorgeworfen, gegen arbeitsrechtliche Bestimmungen zu verstossen. Mehr dazu beim Beobachter und auf SRF.
Sind die neuen Umweltregeln für Gebäude streng genug?
Um den Gebäudesektor klimatauglich zu machen, spielen die Kantone eine entscheidende Rolle. Sie setzen die Standards für Wohnhäuser und Büros, die jahrzehntelange genutzt werden. Zentral sind dabei die Mustervorschriften der Kantone im Energiebereich (MuKEn). Bei der Umsetzung dieser Regeln sind allerdings viele Kantone im Rückstand. Bis heute haben erst 15 Kantone ihre Energiegesetze gemäss der MuKEn 2014 revidiert. Dennoch ist es an der Zeit, die Vorschriften zu verschärfen. Die Konferenz Kantonaler Energiedirektoren hat den Entwurf zu den MuKEn 2025 im Herbst in die Vernehmlassung geschickt. Ein Ziel der Anpassung ist es, Gebäude zu «Energiehubs» zu machen, wo Produktion, Speicherung und Verbrauch von Energie zusammengeführt werden. Der Anteil erneuerbarer Energie beim Heizungsersatz soll erhöht und die Energieeffizienz bestehender Gebäude verbessert werden.
Ob der Gebäudesektor die Klimaziele mit den neuen Mustervorschriften erreichen, wird von Umweltorganisationen bezweifelt.
Die Schweizerische Energie-Stiftung fordert, dass die Mustervorschriften konsequenter auf das Netto-Null-Ziel ausgerichtet werden. Und vorhandene Lücken sollen geschlossen werden. So sollen Vorschriften zu grauer Energie und Elektromobilität in das sogenannte Basismodul, das alle Kantone umsetzen müssen, aufgenommen werden. Kritisiert wird weiter, dass die Vorgaben zur grauen Energie und E-Mobilität auf Neubauten beschränkt sind. Sie sollten auch bestehende Infrastruktur betreffen. Zudem soll es konkrete Anforderungen geben, Energie zu speichern.
Der Verein «energie-wende-ja» bemängelt, dass die MuKEn 2025 zu wenig ambitioniert seien und nicht ausreichten, um Klimaziele zu erreichen. Der Gebäudebereich sollte spätestens bis 2040 klimaneutral sein.
Hält der Ausbau von Solarstrom an?
Im Juni 2024 hat die Schweizer Stimmbevölkerung das Stromgesetz (Bundesgesetz über eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien) angenommen. Viel schneller als beim Klimaschutzgesetz (siehe oben «Rückschritte in der Klimapolitik») hat der Bundesrat die entsprechende Verordnung verabschiedet. Per Anfang 2025 werden PV-Anlagen an Fassaden und auf Parkplatzüberdachungen stärker gefördert. Und die Regeln, erzeugten Solarstrom selbst zu nutzen, werden gelockert. Für erneuerbare Energien aus Anlagen im Inland begnügt sich der Bundesrat mit einem Mindestanteil von 20%. In der Vernehmlassung hatten Verbände einen höheren Anteil verlangt. Heute beträgt der Anteil erneuerbarer Energie im Schweizer Strommixes 60%.
Wichtige Umsetzungen hat der Bundesrat noch nicht beschlossen. So ist weiterhin unklar, wie hoch die Mindestvergütung für Solarstrom sein wird. Im Entwurf von Anfang Jahr hatte der Bundesrat eine deutliche Reduktion geplant.
Der Branchenverband Swissolar kritisiert, dass der Bundesrat diesen Punkt noch nicht geklärt hat. Und er verlangt angemessene Mindesttarife, sonst drohe die Gefahr, dass der notwendige Ausbau von PV-Anlagen ausgebremst werde. Der Wirtschaftsverband swisscleantech begrüsst, dass mit der Anerkennung von Solaranlagen von nationalem Interesse die Rahmenbedingungen für den Ausbau von mehr Winterstrom verbessert werden. Allerdings kritisiert er die nur zögerliche Umsetzung des Stromgesetzes, da die neuen Regeln gestaffelt eingeführt werden. Mehr dazu im Tages-Anzeiger (paywall).
Das Stromgesetz sieht vor, dass in der Schweiz bis 2035 jährlich 35 Terawattstunden an zusätzlichem erneuerbaren Strom produziert werden. Das ist etwas mehr als Hälfte des heutigen Strombedarfs der Schweiz. 80% der zusätzlichen Strommenge können von neuen Photovoltaikanlagen stammen, falls attraktive Rahmenbedingungen für Solarstrom gelten. Dies geht aus dem erstmals erstellten Solarmonitor Schweiz von Swissolar hervor. Er wird künftig jährlich aktualisiert, um die Entwicklung des Schweizer Solarausbaus realistisch abschätzen zu können.
Der Ausbau alpiner Solaranlagen kommt nicht voran. Von insgesamt 62 angekündigten Projekten werden 27 nicht mehr weiterverfolgt. Erst bei vier Anlagen liegt laut dem Bundesamt für Energie eine rechtskräftige Baubewilligung vor. Bei einer Anlage, «Sedrun-Solar» bei Tujetsch, haben die Bauarbeiten begonnen. Das liegt aber nicht primär an Einsprachen, wie eine Umfrage des Verbands Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen zeigt. Die grössten Herausforderungen sind vielmehr zeitintensive Umweltverträglichkeitsprüfung, die lange Bearbeitung der Baugesuche, die Anforderungen im Gebirge sowie die Wirtschaftlichkeit. Wie SRF und die NZZ (paywall) aufzeigen, ist es viel teurer als geplant, in den Bergen Photovoltaikanlagen zu installieren. So verzichtet der Stromkonzern Axpo trotz rechtskräftiger Bewilligung darauf, eine Anlage zu realisieren. Das ist auch deshalb bemerkenswert, weil der Bund bis zu 60% der Investitionskosten übernimmt.
Auf Stauseen werden vorerst keine schwimmenden PV-Anlagen bewilligt. Das Risiko für Schäden durch Starkwind, Hochwasser oder Rutschungen sei zu gross, weiss der Tages-Anzeiger. Derzeit gibt es in der Schweiz eine Anlage mit schwimmenden Panels, auf dem Lac des Toules beim Grossen St. Bernhard. Dabei wäre das Potenzial, um Strom zu erzeugen, durchaus vorhanden, zeigt ein Bericht des Bundesrats zu Photovoltaikanlagen auf Wasserkraftwerken und Stauseen auf.
Grosse Energieverschwendung – doch die Politik schaut zu
In der politischen Diskussion dominiert die Frage nach einer genügend grossen Stromproduktion. Vernachlässigt werden Ansätze, Strom zu sparen. 2021 forderte der grüne Nationalrat Kurt Egger vom Bundesrat einen Bericht. Dieser sollte aufzeigen, wie viel Strom verschwendet wird, weil Lüftungen und Beleuchtungen in Betrieb sind, obwohl keine Personen im Raum sind oder Motoren und Produktionsprozesse unnötig im Leerlaufmodus sind. Tatsächlich ist das Sparpotenzial beträchtlich: Jedes Jahr werden 6 bis 7 TWh an Strom verschwendet, wie der nun veröffentlichte Bericht «Energieverschwendung beim Betrieb ohne Nutzen» zeigt. Das entspricht 12% der drei Bereiche Haushalte, Dienstleistungen und Industrie. Das Sparpotenzial wäre noch grösser, würden auch die Sektoren Mobilität und Landwirtschaft berücksichtigt. Warum sind die Verluste so hoch? Als mögliche Gründe nennt der Bericht Wissensdefizite bei den Verbraucher:innen sowie technische und finanzielle Hemmnisse. Mögliche Massnahmen gegen die Verschwendung sind Vorschriften zur Energieeffizienz von Geräten und Anlagen sowie gesetzliche Regeln für Grossverbraucher und finanziellen Anreize über Zielvereinbarungen, weiter Energieberatungen und Information.
Die Realität ist allerdings eine andere. Unternehmen mit hohem Stromverbrauch werden finanziell entlastet: Sie sind vom Netzzuschlag befreit, derzeit 2,3 Rappen pro Kilowattstunde. Diese Abgabe fliesst in einen Fonds, womit der Bund den Bau von Solaranlagen, Wasser- und Windkraftwerken fördert. Als die Regelung 2009 eingeführt wurde, standen Grossverbraucher im Fokus, um die stromintensive und exportorientierte Industrie zu unterstützen.
Nun zeigt die NZZ (paywall) auf, dass wegen fehlender präziser Kriterien auch Luxushotels, Indoor-Surfanlagen und Wasserrutschbahnen von der Stromvergünstigung profitieren. Über 250 Betriebe können verbilligten Strom beziehen, darunter auch 30 Skigebiete, um Lifte und Schneekanonen zu betreiben. Doch statt den Wildwuchs einzudämmen, soll die Vergünstigung von Strom noch ausgebaut werden. Auslöser sind die wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Schweizer Stahlwerke. So verlangt die Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie des Nationalrates, dass Stahl- und Aluminiumunternehmen in der Schweiz während vier Jahren ein Teil der Gebühren für die Nutzung des Stromnetzes erlassen werden. In der laufenden Wintersession entscheidet das Parlament darüber. Mehr dazu auf SRF und in der NZZ (paywall).
Auch in der Diskussion um Reservekraftwerke wird das Thema Stromverschwendung missachtet. Noch bis Frühling 2026 laufen die Verträge mit den Reservekraftwerken in Birr (AG), Cornaux (NE) und Monthey (VS). Im Februar 2024 hatte das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass der Bundesrat dem Reservekraftwerke in Birr keine Betriebsbewilligung hätte erteilen dürfen. Denn er habe nicht darlegen können, weshalb mit einer Strommangellage zu rechnen sei. Das Urteil hat den Bund nicht davon abgehalten, neue Verträge für die Zeit nach 2026 auszuhandeln. Die Ausschreibung verlief allerdings ohne Ergebnis, die offerierten Kosten waren zu hoch. Wie nun bekannt wird, hält der Bund weiterhin an den Reservekraftwerken fest. Da eine nahtlose Ablösung der bestehenden Reservekraftwerke ab dem Winter 2026/27 nicht möglich ist, will der Bundesrat die Winterreserveverordnung bis 31. Dezember 2030 verlängern. Dies mache es möglich, die bestehenden Anlagen in Bereitschaft zu halten, bis neue Reservekraftwerke zur Verfügung stehen.
Abschaltdatum für AKW Beznau und Diskussionen um Atommüll
Das AKW Beznau, bereits heute das ältestes Atomkraftwerk der Welt, soll noch bis 2033 in Betrieb bleiben. Für den Weiterbetrieb will die Axpo 350 Millionen Franken investieren. Im Jahr 2033 wird das AKW 64 Jahre lang Strom produziert haben. Derzeit sind es pro Jahr rund 6 Terawattstunden Strom, was 10% der Schweizer Stromproduktion entspricht. Die gleiche Menge an Strom wird jährlich verschwendet (siehe oben: Grosse Energieverschwendung – doch die Politik schaut zu).
Laut Axpo-Chef Christoph Brand geht der Konzern damit an die Grenze des Machbaren, ein längerer Weiterbetrieb von Beznau sei technisch ausgeschlossen, selbst wenn man es politisch und wirtschaftlich gewollt hätte. Mehr dazu auf SRF, im Tages-Anzeiger und in der NZZ (paywall).
Die Schweizerische Energie-Stiftung (SES) begrüsst den Entscheid. Der beschleunigte Ausbau der erneuerbaren Energien ermögliche es, den Atomausstieg fortzusetzen. Die SES weist darauf hin, dass dank dem Zubau von Solaranlagen auf bestehender Infrastruktur im Inland bis 2033 mehr zusätzlicher Winterstrom produziert wird, als durch das Abstellen von Beznau wegfällt.
Bis der radioaktive Abfall der Schweizer AKW in ein Endlager gebracht werden kann, dauert es noch Jahrzehnte. Einen Schritt dazu hat die Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra) im November getan – sie hat das Gesuch für ein sogenanntes Tiefenlager für den Standort «Nördlich Lägern» im Kanton Zürich eingereicht. Der Entscheid für den Standort auf dem Gebiet der Gemeinde Stadel war schon vor zwei Jahren gefällt worden. Während 16 Jahren hat die Nagra den Untergrund untersucht und dafür über 200 Millionen Franken ausgegeben. Der Atommüll soll in rund 900 Metern Tiefe in einer 100 Meter dicken Opalinuston-Schicht eingelagert werden – für eine Million Jahre. So lange dauert es, bis für Mensch und Umwelt keine Gefahr mehr besteht.
Kritiker:innen halten das Konzept für veraltet. Stattdessen sollten Techniken wie die Transmutation, eine Art Wiederverwertung des Urans, vorangetrieben werden. Ab 2029 werden wohl Bundesrat und Parlament über das Tiefenlager entscheiden. Wird dagegen das Referendum ergriffen – was zu erwarten ist - kommt die Vorlage vors Volk. Mehr dazu bei hier und hier bei Watson und in der NZZ (paywall).
Sollte die Schweiz in neues AKW bauen – wie dies der Bundesrat und eine Volksinitiative wollen – würde der Platz im Tiefenlager nicht ausreichen. Das sagte der Nagra-Chef gegenüber der NZZ (paywall). Das Tiefenlager sie für eine Abfallmenge geplant, die bei einem 60-jährigen Betrieb der bestehenden Kernkraftwerke anfalle. Geologisch gesehen wäre es zwar möglich, zusätzlichen Atommüll zu lagern, praktisch würde es aber kompliziert.
Klimarelevante Entscheide von Bund und Kantonen
Die Befürchtung der Befürworter:innen der Biodiversitätsinitiative haben sich bestätigt: Der Bund weigert sich, wirksame Massnahmen gegen den Verlust der Artenvielfalt zu unternehmen. Die im November vom Bundesrat beschlossene zweite Phase des Aktionsplans Biodiversität sieht gerade noch 24 Millionen Franken bis 2030 vor, pro Jahr rund 4 Millionen Franken.
Für den ersten Aktionsplan (2017 bis 2023) war es noch doppelt so viel gewesen. Die Finanzierung sei völlig unzureichend, kritisiert die Umweltorganisation Pro Natura, WWF und Birdlife. «Die Finanzmittel für den Aktionsplan sind derart gering, dass sie als völlig unangemessen bezeichnet werden müssen. Es wäre ehrlicher gewesen, keinen Aktionsplan zu verabschieden.» Bemängelt wird auch die Tatsache, dass der Bundesrat vor allem Berichte, Studien und Pilotprojekte vorschlägt. Dabei belegen wissenschaftliche Studien bereits ausführlich, wie schlecht es um die Biodiversität in der Schweiz steht.
Der Bundesrat will die Kreislaufwirtschaft stärken. Mit den auf Anfang 2025 in Kraft tretenden neuen Regeln sollen Grundlagen geschaffen werden, um Materialkreisläufe zu schliessen. Im Baubereich erhalten Kantone den Auftrag, Grenzwerte für die graue Energie bei Neubauten und bei wesentlichen Erneuerungen bestehender Gebäude festzulegen. Bei Produkten und Verpackungen kann der Bundesrat neue Anforderungen stellen. Und zudem muss der Bund bei der Beschaffung und bei seinen Bauten eine Vorbildrolle einnehmen.
Die Ernährungsinitiative will den Bund dazu verpflichten, eine auf pflanzlichen Lebensmitteln basierende Ernährungsweise zu fördern. Gleichzeitig soll die Abhängigkeit vom Ausland reduziert und sauberes Trinkwasser gesichert werden. Der Bundesrat lehnt das Anliegen ab, ohne Gegenvorschlag. Die Forderungen der Initiative seien innerhalb des von ihr vorgegebenen Zeitrahmens von zehn Jahren nicht realisierbar. Zudem hätte eine Annahme des Volksbegehrens weitreichende Folgen für die Produktion und den Konsum von Lebensmitteln in der Schweiz (das ist in der Tat das Ziel der Initiative). Mehr dazu in der Aargauer Zeitung und der NZZ (paywall).
Die Walliser Stimmbevölkerung hat das Klimagesetz abgelehnt. Es hätte den Kanton dazu verpflichtet, bis 2040 klimaneutral zu werden. Zudem sah das Gesetz die Schaffung einer mit 100 Millionen Franken dotierten «Klimareserve» vor, mit der konkrete Anpassungs- und CO2-Reduktionsmassnahmen hätten finanziert werden können. Die Mehrheit der politischen Parteien hatten sich für das Klimagesetz ausgesprochen. Die Befürworter:innen hatten vergeblich argumentiert, dass Wallis sei als Gebirgskanton besonders stark von der Klimaerwärmung und damit verbundener Gletscherschmelze und extremen Wetterereignissen betroffen. Mehr dazu auf SRF und der Walliser Zeitung.
Die Stadt Zürich will bis 2040 klimaneutral werden. Wie anspruchsvoll der Weg dazu ist, zeigt eine Zwischenbilanz. Zwar sinken die direkten Treibhausgasemissionen durch Heizen und Verkehr auf dem Stadtgebiet leicht. Doch die indirekten Emissionen nehmen stärker zu. Sie machen 85% aller Klimagase aus, und die Stadt hat darauf keinen Einfluss. Stark ins Gewicht fällt die Fliegerei. 2023 sorgten Flugreisen für 3,3 Tonnen CO2-Äqivalenten pro Kopf. Das ist mehr als die gesamte direkte Belastung. Auch die zunehmende Bautätigkeit treibt die indirekten Emissionen in die Höhe. Mehr dazu im Tages-Anzeiger (paywall) und der NZZ (paywall).
Internationale Klimapolitik
COP29: Enttäuschende Resultate der Klimaverhandlungen
Die Verhandlungen an der 29. UN-Klimakonferenz (COP29) in Baku (Aserbaidschan) waren dieses Jahr besonders angespannt, da die Klimafinanzierung an ärmere Länder verhandelt werden musste. Das erste Finanzierungsziel war 2009 in Kopenhagen beschlossen worden. Damals einigten sich die Länder darauf, bis 2020 jährlich 100 Milliarden Dollar zur Verfügung zu stellen, was aber erst zwei Jahre später erreicht wurde.
Ärmere Nationen und NGOs forderten in Baku 1300 Milliarden US-Dollar pro Jahr. Am Ende stand ein Minimalkompromiss: Bis 2035 wird die Klimafinanzierung für arme Länder auf mindestens 300 Milliarden US-Dollar pro Jahr erhöht. Die Staaten einigten sich jedoch nicht darauf, wie viel davon Zuschüsse und wie viel Kredite sein werden und wie viel aus öffentlichen Quellen stammen sollen.
Vertreter:innen vieler ärmerer Länder waren empört «Die Industrienationen werfen uns immer in letzter Minute einen Text zu, schieben ihn uns in den Rachen und dann müssen wir ihn im Namen des Multilateralismus immer akzeptieren», sagt Juan Carlos Monterrey Gómez, Panamas Sonderbeauftragter für Klimawandel (mehr im Guardian). Doch gab es auch Stimmen, die betonten, dass ein unzureichendes Klimafinanzierung-Versprechen immer noch besser sei als gar keines, insbesondere angesichts der bevorstehenden Trump-Regierung. Mehr im Guardian.
Von vielen Kommentatoren wurde auch positiv bewertet, dass nach Jahren des Stillstands Regeln für einen globalen Markt für den Handel mit CO2 Zertifikaten geschaffen wurden – allerdings bestehen nach wie vor grosse Bedenken hinsichtlich der Integrität solcher Märkte. Mehr in der Financial Times.
Die Verhandlungen wurden vom Gastland Aserbaidschan schlecht vorbereitet und geleitet. Der Präsident des Landes lobte noch im Frühjahr fossile Brennstoffe als «Geschenk Gottes». Es erstaunt deshalb nicht, dass beim Ausstieg aus Öl und Gas keine Fortschritte erzielt wurden. Verantwortlich dafür waren neben Gastgeber Aserbaidschan auch Saudia-Arabien. Mehr dazu in der NY Times (paywall). Der COP 29-Präsident Mukhtar Babayev, der wegen seiner Karriere beim staatlichen Ölunternehmen in der Kritik stand, veröffentlichte nach den Verhandlungen ein Editorial im Guardian in welchem er offen verschiedene westliche Länder kritisierte. Das wurde von Experten als sehr kontraproduktiv angesehen. Erfolgreiche multinationale Verhandlungen kommen nur dann zustande, wenn in den Monaten vor und nach den Verhandlungen Vertrauen zwischen den Verhandler:innen aufgebaut wird. Hier versagte die COP-Präsidentschaft, wie Christiana Figueres eindrücklich in ihrem Podcast erklärt.
Führende Stimmen, darunter der ehemalige Generalsekretär der Vereinten Nationen Ban Ki-moon und der Klimaforscher Johan Rockström, sind der Meinung, dass die COP-Klimaverhandlungen ihren Zweck nicht mehr erfüllen. «Dieser schleppende Fortschritt steht im Widerspruch zur Klimawissenschaft und zu den realen Klimaschäden und -risiken», schrieben sie schon im Jahr 2023. Auch dieses Jahr machen sie konkrete Vorschläge, wie die Verhandlungen effektiver geführt werden könnten - in ihrem lesenswerten offenen Brief des Club of Rome.
Carbon Brief stellte eine ausführlich und umfassende Zusammenfassung aller Entscheide, die in Baku verhandelt wurden, zusammen. Spannend ist auch der Podcast der Klima-Ökonomin Claudia Kemfert.
Biodiversitätsabkommen: Zu wenig Fortschritt
Klima- und Naturschutz wurden lange Zeit als unabhängige Themen behandelt, aber auf dem Biodiversitätsgipfel COP16 wurden sich die Staats- und Regierungschefs der Realität bewusst, dass die Klimakrise nicht adressiert werden kann, ohne den Verlust der Natur zu stoppen.
Es gab einige Erfolge. Es soll ein Fonds eingerichtet werden, der mit Abgaben auf kommerziellen Produkten, die genetisches Material von Pflanzen und Tieren nutzen, gespeist wird. Das kann jährliche Mittel von bis zu 1 Milliarde US-Dollar einbringen.
Die Nationen einigten sich auf ein neues ständiges Gremium für indigene Völker. Das wird es ihnen erstmals ermöglichen, bei Biodiversitäts-COPs direkt zu beraten und ihre Meinung zu äussern.
Die Gespräche wurden jedoch von mangelnden Fortschritten bei der Umsetzung des Kunming-Montreal Global Biodiversity Framework überschattet, dem bahnbrechenden «Paris Agreement for nature»-Abkommen, das 2022 auf der COP15 in Montreal geschlossen wurde. Seit sich die Länder 2022 auf ehrgeizige Ziele zum Schutz der Natur geeinigt haben, hat sich die politische Landschaft verändert. Eine Studie von Carbon Brief und dem Guardian zeigt, dass die überwiegende Mehrheit der Länder die Frist zur Vorlage neuer Pläne, um ihre Schutzziele zu erreichen, verpasst hat. Bis zum Ende des Gipfels hatten nur 44 von 196 Parteien – weniger als ein Viertel – neue Biodiversitätspläne vorgelegt. Nur fünf der 17 «megadiversen Länder», in denen 70% der weltweiten Biodiversität beheimatet sind, haben einen Plan vorgelegt.
Die Parteien konnten sich auch nicht auf die Einrichtung eines neuen Fonds im Rahmen der COP einigen. Die Welt braucht 700 Milliarden Dollar pro Jahr, um wichtige Lebensräume zu schützen. Aber woher soll das Geld kommen? Die Parteien müssen die Verhandlungen im Februar 2025 in Rom wieder aufnehmen. Mehr dazu bei Carbon Brief und hier und hier im Guardian.
Plastikabkommen: Keine Einigung
Eine weitere UNO-Verhandlung erwies sich als äusserst schwierig: Die Nationen verhandelten in Busan, Südkorea, über ein neues Abkommen zur Reduzierung der Plastikverschmutzung. Es kam aber zu keiner Einigung.
Uneinigkeit bestand, ob das Abkommen Ziele zur Reduzierung der Plastikherstellung enthalten sollte oder sich nur auf die Abfallreduzierung, wie z. B. Recycling, fokussieren sollte. Mehr als 100 Länder wollten einen rechtsverbindlichen Vertrag mit einer Begrenzung der Kunststoffherstellung, und fast ebenso viele Länder wollen die schädlichsten Chemikalien, die bei ihrer Herstellung verwendet werden, vollständig aus dem Verkehr ziehen. Doch grosse Öl- und Gasförderländer, darunter Saudi-Arabien, Russland, Kuwait und der Iran (unterstützt von Lobbyisten der petrochemischen Industrie), wehrten sich vehement gegen solche Beschränkungen.
Wie wichtig es ist, die Produktion anzugehen, zeigt das folgende Beispiel: Die Alliance to End Plastic Waste (AEPW) wurde 2019 von einer Gruppe der weltweit grössten Kunststoffproduzenten gegründet, zu denen ExxonMobil, Dow, Shell, TotalEnergies und ChevronPhillips gehören. Sie versprachen, das Plasikrecycling zu verbessern und eine Kreislaufwirtschaft zu schaffen. Doch in den letzten fünf Jahren produzierten sie 1000 Mal so viel Plastik, wie sie aus der Umwelt entfernten. Mehr dazu im Guardian.
Auch bei den Verhandlungen für ein Plastikabkommen war die Finanzierung ein grosser Stolperstein. Wer wird Entwicklungsländer dabei unterstützen, weniger Plastik herzustellen und zu verwenden und den Abfall umweltgerecht zu entsorgen? Diese Frage bleibt offen.
Es wird erwartet, dass die Länder nächstes Jahr erneut verhandeln werden. In der Zwischenzeit argumentieren einige, dass die fast 100 Länder, die auf eine rechtsverbindliche Zusage zur Reduzierung der Produktion gedrängt haben – darunter das Vereinigte Königreich, die Europäische Union, die Afrikanische Gruppe und viele südamerikanische Nationen – ein eigenes Abkommen ausarbeiten.
Was Trumps Sieg für den Klimaschutz bedeutet
Der neu gewählte US-Präsident Donald Trump bezeichnete den Klimawandel während seines Wahlkampfs immer wieder als «grossen Schwindel» und auch sein Vizepräsident ist ein Klimalügner.
Trump, der mit erheblicher finanzieller Unterstützung der Öl- und Gasindustrie gewonnen hat, will nun die Produktion fossiler Brennstoffe vorantreiben. Das könnte laut einer Studie von Carbon Brief zu Mehremissionen von vier Milliarden Tonnen CO2 führen. Zum Vergleich, die USA stösst jährlich etwa sechs Milliarden Tonnen CO2 aus.
Während der ersten Amtszeit hat die Regierung von Trump mehr als 100 wichtige Umweltvorschriften und -regelungen gestrichen, darunter alle relevanten Klimaregulierungen aus der Obama-Ära. Jetzt beabsichtigt er, Vorschriften zur Emissionsreduktionen von fossilen Kraftwerken sowie Dutzende anderer Umweltvorschriften zum Artenschutz und zur Begrenzung von Luft- und Wasserverschmutzung rückgängig zu machen.
Unbeliebte Bundesbehörden will Trump aushöhlen, im Visier hat er vor allem die Environmental Protection Agency (EPA). Projekt 2025, der konservative Plan zur Umstrukturierung der Bundesregierung, empfiehlt, das Budget der EPA erheblich zu kürzen, Mitarbeiter:innen und wissenschaftliche Berater:innen zu entlassen und Programme zum Schutz ärmerer Bevölkerungsgruppen in stark verschmutzten Gegenden zu streichen.
Trump hat angekündigt, dass er praktisch die gesamte Klimapolitik von Präsident Biden rückgängig machen will, auch das wichtigste Klimagesetz der USA, den «Inflation Reduction Act». Das Gesetz sieht Investitionen von mehr als 390 Milliarden Dollar in Elektrofahrzeuge, Batterien und andere saubere Energietechnologien vor. Die Berater der Biden-Administration arbeiten nun mit Hochdruck daran, Zuschüsse in Höhe von Hunderten von Millionen Dollar zu vergeben und Umweltvorschriften fertigzustellen, um wenigstens einen Teil der Klimaagenda von Präsident Biden zu sichern, bevor Donald Trump ins Weisse Haus einzieht.
Ob es Trump gelingen wird, den Inflation Reduction Act rückgängig zu machen, ist unklar. Etwa 80% des bisher ausgegebenen Geldes flossen in republikanische Kongressbezirke. Damit wurden neue Arbeitsplätze geschaffen, weshalb Gesetzgeber und Wirtschaftsführer:innen diese Investitionen schützen wollen. Die Bundesstaaten werden nun wahrscheinlich zu einem Bollwerk gegen die Bemühungen der Bundesregierung, die Umweltpolitik rückgängig zu machen. Das war schon während der ersten Präsidentschaft von Trump der Fall. Im Jahr 2017 traf sich der damalige Gouverneur von Kalifornien, Jerry Brown Brown, mit Präsident Xi Jinping und unterzeichnete eine Reihe von Klima- und Energievereinbarungen zwischen Kalifornien und mehreren nationalen Behörden und Provinzregierungen Chinas. Mehr dazu in Nature.
Elon Musk hat die Wahl von Donald Trump mit 250 Millionen US-Dollar unterstützt. Musk nennt sich oft „«umweltfreundlich» und «super klimafreundlich». Jetzt stellt sich die Frage, ob Musks Ansichten zum Klimawandel die neue Regierung beeinflussen können oder ob er sich an Trumps Rhetorik anpassen wird. Im August sagte Musk: «Wenn wir jetzt aufhören würden, Öl und Gas zu nutzen, würden wir alle verhungern und die Wirtschaft würde zusammenbrechen. Ich halte es also nicht für richtig, die Öl- und Gasindustrie zu verunglimpfen.» Mehr in der NY Times (paywall).
Trump will wieder aus dem Pariser Klimaabkommen aussteigen. Es wird befürchtet, dass andere Nationen ermutigt werden könnten, ihre Verpflichtungen ebenfalls zu lockern. An der COP29 haben die Vereinigten Staaten und Argentinien bereits versichert, das Pariser Klimaabkommen zu verlassen (Deutsche Welle). Besonders schwierig wäre es, wenn die USA auch die übergeordnete Klimakonvention verlassen würde. Im US-Senat bräuchte es dann eine Zweidrittelmehrheit, um einen Wiedereintritt zu ermöglichen.
Eine Recherche von CORRECTIV zeigt auf, wie mit der Wahl von Trump auch in Deutschland solche klimafeindlichen Ideen an Einfluss gewinnen. Deutsche Organisationen wie das Prometheus Institut erhalten Förderungen aus den USA, darunter von der Templeton Foundation und vom Atlas-Netzwerk. Die meist aus fossilen Industrien finanzierten Netzwerke erstrecken sich über Thinktanks und Berater bis in die deutsche Mainstream-Politik, mit Verbindungen zu CDU und FDP.
Mehr dazu in der NY Times (paywall), im Guardian, BBC, The Financial Times (paywall), NY Times (paywall) und in Le Temps.
Internationalen Gerichtshof befasst sich mit Klimapolitik
Nach jahrelanger Lobbyarbeit von Inselstaaten hat die Generalversammlung der Vereinten Nationen den Internationalen Gerichtshof im vergangenen Jahr um eine Stellungnahme zu den «Verpflichtungen der Staaten in Bezug auf den Klimawandel» gebeten.
Das oberste Gericht der Vereinten Nationen begann mit einer zweiwöchigen Anhörung. Dabei wurde untersucht, was Länder weltweit rechtlich tun müssen, um den Klimawandel zu bekämpfen und gefährdeten Nationen bei der Bekämpfung der verheerenden Auswirkungen zu helfen. Die reichen Nationen mit hohen Emissionen argumentieren jedoch, dass sie im Rahmen des Pariser Abkommens bereits ausreichende Klimaschutzverpflichtungen eingegangen sind.
Die Gutachten des Gerichts sind nicht bindend. Experten betonen jedoch, dass die Entscheidung in zukünftigen Klimaprozessen und bei internationalen Klimaverhandlungen als massgebliches Dokument herangezogen wird. Weitere Informationen bei Associated Press und in Climate Home News.
Wie Länder mit ihren Wäldern ihre Klimabilanzen beschönigen
Das Netto-null-Ziel bedeutet: Ein Staat darf nicht mehr Treibhausgase produzieren, als er durch Massnahmen der Atmosphäre wieder entziehen und dauerhaft speichern kann. Doch was gilt als eine natürliche CO2-Senke, die nicht ans Reduktionsziel angerechnet werden kann? Zum Beispiel ein bestehender Wald? Und was gilt als Senke, die vom Menschen gemacht wurde? Etwa ein neu aufgeforsteter Wald?
Eine genaue Definition fehlt im Pariser Klimaabkommen. Daher rechnen sich viele Länder ihre Wälder an ihr Klimaziel. Mit der bisherigen Bilanzierung können Staaten mit grossem Waldanteil ihre nationalen Klimaziele auf dem Papier erreichen, ohne dass sie ihre tatsächlichen Emissionen genügend gesenkt haben.
Global werden so 6 bis 7 Milliarden Tonnen CO₂ pro Jahr als Emissionsreduktionen gerechnet, obwohl sie von natürlichen Senken kommen. Das entspricht etwa 15% der globalen CO₂-Emissionen. Die Autoren einer neuen Studie in Nature fordern nun, dass Länder bei ihren Klimazielen dringend die Unterscheidung zwischen anthropogener und natürlichen Senken machen müssen. Mehr im Guardian, Cicero und Tages Anzeiger (paywall).
Europäische Klimapolitik
Die neue Europäische Kommission steht
Ein halbes Jahr nach den letzten Wahlen zum Europäischen Parlament hat Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (EVP) ihr neues Team vorgestellt. Die Kommission, bestehend aus 26 Kommissar:innen, erhielt Ende November die Zustimmung des Parlaments – trotz teils scharfer Kritik. Unterstützt wurde sie vor allem von den Fraktionen der EVP, S&D und Renew. Dennoch fiel das Ergebnis mit 370 zu 282 Stimmen weniger überzeugend aus als in ihrer ersten Amtszeit, wie Euractiv berichtet.
Die neue EU-Kommission setzt neben Verteidigung, Wettbewerbsfähigkeit und Handel einen klaren Schwerpunkt auf die Wirtschaftspolitik. Gleichzeitig bleiben jedoch die industrielle Transformation, Energie-, Umwelt- und Klimapolitik zentrale Herausforderungen unserer Zeit. Um diesen Aufgaben gerecht zu werden, hat die Kommission mehrere Schlüsselressorts geschaffen:
- Teresa Ribera Rodríguez (S&D) aus Spanien übernimmt die Verantwortung für «Clean, Just and Competitive Transition». In ihrer Rolle als Vizepräsidentin wird sie die Umsetzung und Weiterentwicklung des Green Deals leiten.
- Wopke Hoekstra (EVP) aus den Niederlanden wird als Kommissar für „Climate, Net Zero and Clean Growth“ tätig sein. Sein Zuständigkeitsbereich umfasst unter anderem die Förderung des Wirtschaftswachstums sowie die Einhaltung und Weiterentwicklung der EU-Klimaziele.
- Jessika Roswall (EVP) aus Schweden wird den Bereich «Environment, Water Resilience and a Competitive Circular Economy» leiten. Zu ihren Aufgaben zählen die Förderung einer Kreislaufwirtschaft, die Anpassung an den Klimawandel sowie die internationale Biodiversitätspolitik.
- Dan Jørgensen (S&D) aus Dänemark wird das Ressort «Energy and Housing» verantworten. Mit ihm wird erstmals ein Kommissar für Wohnpolitik ernannt, ein Bereich, der bisher hauptsächlich in der Zuständigkeit der Mitgliedsstaaten lag. Zu seinen Aufgaben gehört unter anderem die Entwicklung und Umsetzung des ersten «European Affordable Housing Plan».
- Stéphane Séjourné (RENEW) aus Frankreich leitet als Executive Vice-President den Arbeitsbereich «Prosperity and Industrial Strategy». Zentrales Theme wird für ihn das Vorlegen eines «Industrial Decarbonisation Accelerator Act» sein.
EU-Entwaldungsverordnung unter Druck
Obwohl eigentlich bereits die Verhandlungen zur EU-Entwaldungsverordnung abgeschlossen waren, ist die wichtige Umweltpolitische Maßnahme in dem rechts-konservativ geprägten EU-Parlament erneut unter Druck geraten. Ziel der Verordnung ist es, entwaldungsfreie Lieferketten zu etablieren. So sollen bestimmte Produkte und Handelsgüter nur eingeführt werden, wenn sichergestellt werden kann, dass diese nicht mit Entwaldung und Waldschädigung in Verbindung stehen (mehr dazu beim BMEL).
Die neue Kommission will das ursprüngliche Inkrafttreten der Verordnung jedoch um ein Jahr nach hinten schieben. Die DIHK etwa unterstütz diese Pläne und fordert sogar einen Aufschub um zwei Jahre. Weitere Regelungen und Vorgehen sollen darüber hinaus auf Drängen rechter, liberaler und konservativer Abgeordnete geändert werden. Bei Umweltverbänden herrscht dahingegen «blankes Entsetzen», wie etwa der WWF titelt. Die NGO urteilt das Vorgehen der EVP als beschämend, Verzögerungen sollen zurückgenommen werden. Weiterer Knackpunkt der Änderungsvorschläge: Die sogenannte «Null Risiko»-Kategorie. Damit würden Staaten pauschal als risikofrei betrachtet und von der Verordnung ausgenommen. 25 der 27 Mitgliedsstaaten sprachen sich jedoch dagegen aus, so berichtet der DNR, da eine Unvereinbarkeit mit Regeln der WTO bestände. Einigung konnte bisher nicht erzielt werden. Sofern dies so bleibt, tritt die Verordnung mit Wirkung ab Januar 2025 in Kraft.
Dänemark besteuert Emissionen aus der Landwirtschaft
Dänemark plant als erstes Land weltweit eine Steuer auf Methanausstoß von Kühen und Schweinen, um den Klimaschutz voranzutreiben. Diese Maßnahme ist Teil eines umfassenden Klimapakets, das unter anderem das Pflanzen von einer Milliarde Bäumen und eine Reduktion des dänischen Treibhausgasausstoßes um 1,8 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalente bis 2030 umfasst. Ziel ist es, die Emissionen des Landes bis 2030 um 70 % im Vergleich zu 1990 zu senken und bis 2045 klimaneutral zu werden. Jeppe Bruus, dänischer Steuerminister, spricht von der größten landschaftlichen Veränderungen Dänemarks seit einem Jahrhundert, berichtet Tagesschau.
Die Methansteuer beginnt 2030 bei 300 Kronen (etwa 40 Euro) pro Tonne CO₂-Äquivalent und soll bis 2035 auf 750 Kronen steigen. Zugleich werden Landwirte durch Steuererleichterungen entlastet, wodurch die tatsächlichen Kosten zunächst auf 120 Kronen und später auf 300 Kronen pro Tonne begrenzt bleiben. Das Vorhaben, das Investitionen von 43 Milliarden Kronen (5,8 Milliarden Euro) erfordert, wurde von der Regierung und weiteren Parteien beschlossen. Die Einigung stelle einen Kompromiss mit Interessenvertretern der Landwirtschaft, Gewerkschaften und Umweltgruppen dar. Landwirte bekommen durch den neugeschaffenen «Grünflächenfond» finanzielle Unterstützung für die Transformation. Dadurch können etwa 250.000 Hektar Wiederaufforstung finanziert werden (agarheute). Das Besondere: Dieser Kompromiss ist ganz ohne Proteste ausgekommen, wie man sie aus anderen EU-Ländern in der jüngeren Vergangenheit oft gesehen hat. Kritiker bemängeln jedoch die Höhe der Steuer als zu niedrig, um Wirkung zu bewirken (Tagblatt).
Kehrtwende in Norwegen: Tiefseebergbau vorerst gestoppt
Als weltweiter Vorreiter wollte das Nordskandinavische Land Anfang des Jahres den Tiefseebergbau erlauben, um dort vorkommende Bodenschätze zu fördern. Doch nun stoppte die Regierung Norwegens vorerst alle Pläne dazu. Grund seien komplizierte Verhandlungen über den Staatshaushalt 2025. Die Sozialistische Linkspartei, eine kleine Umweltpartei, forderte einen Stopp der Pläne als Zugeständnis, um die Haushaltspläne der Minderheitsregierung bestehend aus sozialdemokratischen Arbeiderpartiet und der Zentrumspartei Senterpartiet mittragen zu können (s. dazu etwa Tagesschau).
Die Umweltorganisation WWF sieht darin einen großen Gewinn für den Umweltschutz. Der WWF Norwegen hat eine Klage gegen die norwegische Regierung am Laufen, über die noch nicht entschieden wurde. Auch Greenpeace wirft der Regierung Schnellverfahren ohne Rücksicht auf vermeintliche «katastrophalen Konsequenzen» für die Ökosysteme vor. Die Deutsche Welle hat in einem ausführlichen Bericht eine Karte bereitgestellt. Deutlich wird, dass die ursprünglich vorgesehen Tiefseebergbaugebiete hohe Überschneidungen mit sensiblen Gebieten haben. Ministerpräsident Jonas Gahr Støre spricht derweilen lediglich von einem Aussetzen der Pläne, nicht von einem Stopp.
Deutschland
Ampel-Regierung zerbricht nach Rausschmiss des Finanzministers
Die letzten Wochen der deutschen Politik waren von einem Ereignis geprägt: Die Ampel-Regierung ist zerbrochen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat am Abend des 6. Novembers Finanzminister Christian Lindner (FDP) entlassen. Damit ist die Ampelregierung – dem Dreierbündnis aus Sozialdemokraten, Liberalen und Grünen – Geschichte. Die Ereignisse haben sich im Hintergrund zu den Verhandlungen um den Bundeshaushalt 2025 ergeben. Das Redaktionsnetzwerk Deutschland hat dazu eine umfassende chronologische Übersicht erstellt, die zu diesem Schritt führt.
Etwa eine Woche zuvor ist das «Wirtschaftspapier» des Ex-Finanzministers bekannt geworden. Es handelt sich dabei um ein Konzept eines grundlegenden Umschwenkens in der Wirtschaftspolitik. Dabei sollten auch Klimaschutzvorgaben entfallen, um die Wirtschaft anzukurbeln, und Sozialausgaben deutlich gekürzt werden – untragbare Forderungen für die Koalitionspartner.
Dieses Vorgehen der FDP sei orchestriert und wurde seit Wochen vorbereitet, wie eine Recherche von Zeit Online (Paywall) dokumentiert. Besonders Aufsehen erregend war neben den Geheimplänen zum Regierungsaus, aus der die FDP nach den eigenen Plänen gestärkt hervorgehen sollte, die militärische Sprache dieses Plans, der zur sogenannten «D-Day Affäre» führte. Die FDP hat schließlich die Pläne selbst offengelegt. Zur Folge sind mehrere hochkarätige Amtsträger, wie bspw. Generalsekretär Bijan Djir-Sarai und Bundesgeschäftsführer Carsten Reymann, zurückgetreten.
Zentrale Klima-, Umwelt- und Energievorhaben vor dem Aus
Das Auseinanderbrechen der Bundesregierung hat zur Folge, dass die verbliebende rot-grüne Regierung derzeit keine parlamentarische Mehrheit im Bundestag verfügt. So stocken gerade Vorhaben, die eigentlich noch bis zur Weihnachtspause von der einst selbsternannten «Fortschrittsregierung» umgesetzt werden sollten.
Ob wichtige Vorhaben noch vor den Neuwahlen im Februar 2025 durch das Parlament gebracht werden können, hängt von der CDU/CSU-Fraktion ab. Darunter fallen bspw. das Kraftwerkssicherheitsgesetz, der Neuregelung der Fernwärme-Verordnung, das CO2-Speichergesetz dem Bundeswaldgesetz, die Fortführung des Deutschlandtickets und zentral die Absicherung des Bundeshaushalts im kommenden Jahr samt Verwendung der Mittel des Klima-Transformations-Fonds (KTF). Die Frankfurter Rundschau hat einen Ausschnitt aus noch offenen Vorhaben zusammengestellt.
Bundesregierung legt Entwurf fürs Kraftwerkssicherheitsgesetz vor
Auch ohne Mehrheit im Parlament wurde Ende November das Kraftwerkssicherheitsgesetz (KWSG) an Verbände zur Aufforderung zur Stellungnahme geschickt. Zentraler Bestandteil: Schaffung von Flexibilitäten sowie Aufbau einer Wasserstoffinfrastruktur durch neue Gaskraftwerke. Diese seien notwendig, um bei hoher Nachfrage in Zeiten fehlenden Angebots der Erneuerbaren Versorgungssicherheit sicherzustellen.
Branchenvertreter wie der Bundesverband erneuerbare Energien sprach sich dafür aus, den Entwurf «vom Kopf auf die Füße» zu stellen, so der Solarserver. Die Rolle der Bioenergie – ein zentrales Interessensfeld des Verbandes – als Quelle des Ausgleichs für schwankende Sonnen- und Windenergie sei unterrepräsentiert und werde dem dringenden Bedarf an Flexibilität nicht gerecht. Auch Heimspeicher sein dringend benötigt. Der größte Energieverband BDEW lobte dahingehend, dass die Bundesregierung das Vorhaben vorantreibt. Ende Oktober noch mahnten Umweltverbände in einem offenen Brief an Minister Habeck (Grüne) vor der Priorisierung neuer Gaskraftwerke.
Parteitag der Grünen: Habeck ist Spitzenkandidat
Kurz nach dem Aus der Ampelregierung hielten Bündnis 90/Die Grünen ihre bereits vorher geplante 50. Bundesdelegiertenkonferenz (BDK) in Wiesbaden ab. Dabei stand die Wahl Robert Habecks als «Spitzenkandidat» für die Bundestagswahl im Vordergrund. Dieser wurde mit 96 Prozent der rund 830 anwesenden Deligierten bestätigt, berichtet Deutsche Welle. Zusammen wird er mit Bundesaußenministerin Baerbock an der Spitze des Wahlkampfes stehen.
Nachdem die Parteispitzen der Grünen nach den miserablen Wahlergebnissen in den Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg im Herbst zurückgetreten war, wurden Felix Banaszak, Bundestagsabgeordneter und ehem. Vorsitzender der Grünen NRW, zusammen mit Franziska Brantner, parlamentarische Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium, zu den neuen Vorsitzenden gewählt.
Fridays-for-Future Aktivistin Luisa Neubauer mahnte die Partei in einer Gastrede zu mehr Klimaschutz, Setzung ökologischer Standards und Gerechtigkeit. Darüber hinaus stimmten die Delegierten für die Einführung eines Klimagelds, für mehr Klimaschutz im Verkehrssektor und für eine Reform der «Schuldenbremse», um Investitionen in die Transformation zu ermöglichen. Die Beschlüsse der BDK finden Sie hier.
Die sichtbare Klimakrise
Tödliches Unwetter in Spanien
Spanien war nach Jahrhundertniederschlägen von den schlimmsten Überschwemmungen seit Generationen konfrontiert. 230 Menschen kamen ums Leben, am stärksten traf es die Region Valencia. Innerhalb von 24 Stunden kamen an vielen Orten in der ostspanischen Provinz mehr als 200 Millimeter Regen vom Himmel, an einigen Ort sogar noch mehr. Auslöser dieser Unwetter war ein Wetterphänomen, das im Mittelmeerraum bekannt ist: ein sogenannter Kaltlufttropfen. Dabei kreist kalte Luft in grosser Höhe um einen Tiefdruckwirbel. Die kalte Luft trifft dabei auf die feuchtwarme Luft über dem Mittelmeer, was heftige Niederschläge auslöst. In diesem Jahr waren im Mittelmeer rekordhohe Oberflächentemperaturen gemessen worden.
Im Guardian erklärt Friederike Ott, Klimatologin und Mitbegründerin von World Weather Attribution, den Einfluss des Klimawandels. Gemäss einer ersten Studie sind die extremen Regenfälle durch die Erhitzung um 12% intensiver und doppelt so wahrscheinlich geworden. Carbon Brief hat die wichtigsten Fakten zur Entwicklung der Attributionsforschung und ihrer Bedeutung zusammengetragen.
Was war der Grund, weshalb so viele Menschen starben? Die Klimatologin Friederike Ott sagt, die Bevölkerung sei zu spät gewarnt worden, erst als das Unwetter bereits stattfand. Viele Menschen befanden sich da bereits in überschwemmten Häusern oder waren in Tiefgaragen eingeschlossen. Mehr dazu auf SRF, im Tages-Anzeiger (paywal) und bei Klimareporter.
Auf den Philippinen löste der Tropensturm Trami verheerende Überschwemmungen und Erdrutsche aus. Mindestens 150 Menschen verloren dabei ihr Leben. Mehr bei Nau und Philippine Star.
Rekordwarmes 2024 und mehr Frühgeburten
Die Weltorganisation für Meteorologie und der Copernicus-Klimawandeldienst der EU rechnen damit, dass 2024 das wärmste Jahr aller Zeiten wird. Im Oktober 2024 lag die Temperatur um 1,65 °C über dem vorindustriellen Niveau. Der Oktober war damit der 15. Monat in einem Zeitraum von 16 Monaten, in dem die Durchschnittstemperaturen über der im Pariser Abkommen festgelegten Schwelle von 1,5 °C lagen.
Hitzewellen gefährden Mütter und Säuglinge, zeigt eine neue Studie in Nature. Hitzeexposition erhöht das Risiko von Frühgeburten, Totgeburten, Geburtsfehler und Komplikationen bei der Geburt. Für die Studie analysierten die Forschenden 198 Studien aus 66 Ländern. Für jede Zunahme der Hitzebelastung um 1 ℃ stieg das Risiko einer Frühgeburt um 4%. Frühgeburten sind eine der Hauptursachen für den Tod von Säuglingen und Behinderungen.
Neues aus der Klimawissenschaft
CO2-Emissionen und -konzentration erreichen Rekordhöhe
Vor den Klimaverhandlungen werden jedes Jahr eine Vielzahl von wichtigen Berichten veröffentlicht. Wir fassen hier das Wichtigste zusammen:
Der 2024 State of Climate Report führender Klimawissenschafter:innen beginnt mit den Worten: «Wir stehen am Rande einer irreversiblen Klimakatastrophe. Dies ist zweifellos ein globaler Notstand. Ein Großteil der Lebensgrundlagen auf der Erde ist gefährdet. Wir treten in eine kritische und unvorhersehbare neue Phase der Klimakrise ein.»
Der 2024 Bericht des Lancet Countdown zu Gesundheit und Klimawandel zeigt auf, dass zögerliches Handeln riesige Bedrohungen mit sich bringt. Menschen auf der ganzen Welt sind bereits jetzt durch das sich schnell verändernde Klima mit grossen Bedrohungen für ihr Wohlergehen, ihre Gesundheit und ihr Überleben konfrontiert.
Das jährliche Greenhouse Gas Bulletin der WMO, das zeigt, dass die CO2-Konzentration einen neuen Höchstwert erreicht hat. Die atmosphärische CO2-Konzentration wird 2024 voraussichtlich 422,5 Teile pro Million erreichen, 2,8 Teile pro Million mehr als 2023 und 52% mehr als vor der Industrialisierung. Es ist wahrscheinlich der höchste Wert, den sie in den letzten 8-12 Millionen Jahren je erreicht hat.
Die Länder haben im vergangenen Jahr kaum Fortschritte bei der Eindämmung ihrer Treibhausgasemissionen erzielt, so dass der Planet laut einem neuen Bericht des Climate Action Tracker auf einem gefährlichen Erwärmungskurs bleibt.
Der 2024 UNEP Gap Report zeigt auf, dass die aktuellen Klimamassnahmen bis zum Jahrhundertende eine Erwärmung von rund 2,9°C bringen würden. Würden alle bei der UNO eingereichten nationalen Klimabeiträge umgesetzt, wäre die Erwärmung geringer (2,4-2,6 °C), würden auch alle versprochenen Netto-Null-Ziele umgesetzt, sogar 1,6–2,2 °C. Doch ob diese Versprechen umgesetzt würden oder ob Netto-Null-Ziele nur ausgesprochen wurden, um ein Bewusstsein und Handeln zu suggerieren, bleibt fraglich.
Die Herausforderung ist zwar unbestreitbar gross aber es gibt zahlreiche Möglichkeiten, die Eindämmung des Klimawandels schneller voranzutreiben. So könnten laut Bericht die weltweiten Emissionen bis 2030 um 54% gesenkt werden, und das zu Kosten von weniger als 200 Dollar pro Tonne CO₂-Äquivalent. Bis 2035 wäre in diesem Kostenrahmen eine Verringerung um 72 % möglich.
Der Bericht 2024 Global Carbon Budget wurde von einem internationalen Team aus mehr als 120 Wissenschaftler:innen erstellt. Er prognostiziert für 2024 fossile CO2-Emissionen von 37,4 Milliarden Tonnen, was einem Anstieg von 0,8 % gegenüber 2023 entspricht. Nimmt man die Emissionen aus Landnutzungsänderungen (z. B. Entwaldung) von 4,2 Milliarden Tonnen dazu, werden die gesamten CO2-Emissionen im Jahr 2024 voraussichtlich 41,6 Milliarden Tonnen betragen, gegenüber 40,6 Milliarden Tonnen im Vorjahr.
Trotz der dringenden Notwendigkeit, die Emissionen zu senken, um den Klimawandel zu verlangsamen, gibt es nach Ansicht der Forscher immer noch «keine Anzeichen» dafür, dass die Welt einen Höchststand bei den fossilen CO2-Emissionen erreicht hat. Weltweit wird für 2024 ein Anstieg der Emissionen aus verschiedenen fossilen Brennstoffen prognostiziert: Kohle (0,2 %), Öl (0,9 %), Gas (2,4 %). Diese tragen jeweils 41 %, 32 % und 21 % zu den globalen fossilen CO2-Emissionen bei.
Es folgen die Emissionsprognosen für 2025:
- China (32 % der weltweiten Gesamtemissionen): + 0,2 %.
- USA (13 % der weltweiten Gesamtemissionen) - 0,6 %.
- Indiens (8 % der weltweiten Gesamtemissionen) + 4,6 %.
- Europäischen Union (7 % der weltweiten Gesamtemissionen) - 3,8 %.
- Die übrige Welt (38 % der weltweiten Gesamtemissionen) + 1,1 %.
- Der internationale Luft- und Schiffsverkehr (3 % des weltweiten Gesamtausstoßes) +7,8 %.
- Weltweit sind die Emissionen durch Landnutzungsänderungen (Entwaldung) in den letzten zehn Jahren um 20 % zurückgegangen, werden aber 2024 voraussichtlich wieder ansteigen.
Bei der derzeitigen Entwicklung der Emissionen schätzt das «Global Carbon Budget»-Team die Wahrscheinlichkeit, dass die globale Erwärmung in etwa sechs Jahren dauerhaft 1,5 °C übersteigt, auf 50%. Mehr im Guardian und ScienceDaily.
Die Natur kann immer weniger CO2 speichern
Die natürlichen Kohlenstoffsenken des Planeten – Ozeane, Wälder und Böden – absorbierten bis anhin etwa die Hälfte der von Menschen verursachten Emissionen. Im Jahr 2023 haben Dürren und Waldbrände dazu geführt, dass diese natürlichen Senken jedoch kaum noch CO2 absorbierten, wie eine neue Studie im Preprint zeigt. Die Geschwindigkeit und das Ausmass der Veränderungen lassen einige Wissenschaftler befürchten, dass Klimamodelle auf zu optimistischen Annahmen beruhen. Mehr im Guardian
Bis 2050 schrumpft Wirtschaft um fast 20%
Durch die bereits jetzt ausgestossenen Emissionen wird die Weltwirtschaft in den nächsten 26 Jahren einen Einkommensrückgang von 19% verzeichnen, wie ein neuer Artikel in Nature voraussagt. Die Forscher nutzten empirische Daten aus mehr als 1600 Regionen aus den letzten 40 Jahren, um Klimafolgenschäden zu prognostizieren. Der globale jährliche Schaden wird bis im Jahr 2049 38 Billionen US-Dollar betragen.
Diese Schäden sind sechsmal höher als die Kosten, die nötig wären, die globale Erwärmung in den 26 Jahren auf 2 °C zu beschränken. Die grössten Verluste werden Länder des globalen Südes erleiden, die am wenigsten für den Klimawandel verantwortlich sind.
Gesunde Ernährung ist gut für den Planeten
Die Landwirtschaft ist für rund 30% der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich. Zudem beansprucht sie 70% des weltweiten Wasserverbrauchs. Ein hoher Lebensmittelkonsum (insbesondere tierische Produkte) ist eine der Hauptursachen für Übergewicht, Diabetes, und Herz-, und Kreislauferkrankungen. Gleichzeitig leiden immer noch über 800 Millionen Menschen an Hunger, und fast 3,1 Milliarden Menschen können sich keine gesunde Ernährung leisten.
Die planetary health diet der EAT-Lancet Kommission zeigt auf, wie eine Umstellung auf eine gesündere Ernährung Hunger beseitigen, die Gesundheit verbessern und Emissionen reduzieren kann. Eine solche Ernährung umfasst grösstenteils pflanzliche Lebensmittel, mit kleinen Ergänzungen von Fisch, Fleisch und Milchprodukten.
Eine neue Studie in Nature Climate Change hat anhand dieser Ernährungsrichtlinien errechnet, dass die ernährungsbedingten globalen Treibhausgasemissionen um 17% sinken würden, wenn sich alle Menschen auf der Welt gesund ernähren würden. Die Menschen, die derzeit zu viel konsumiert (mehr als die Hälfe der Bevölkerung), würden durch eine Ernährungsumstellung 32% der globalen Emissionen einsparen. Das wurde den Anstieg der globalen Emissionen um 15 % durch Menschen, die derzeit zu wenig konsumierend, mehr als ausgleichen.
Realitätscheck zu CCS
Die direkte Abscheidung von Kohlenstoff aus der Luft (Carbon Capture and Storage, CSS) wird in vielen Klimaszenarien als Schlüsseltechnologie benutzt, um die Erwärmung unter 1,5 °C zu halten. Aber wir müssen uns darüber im Klaren sein, wie schwierig, teuer und energieintensiv das sein wird, argumentieren vier Energiesystemforscher in OneEarth. Um beispielsweise 10 Gigatonnen an atmosphärischem CO2 zu entfernen, würden selbst die besten heute vorgeschlagenen Verfahren 12’000 Terawattstunden Strom benötigen; das sind mehr als 40% der derzeitigen weltweiten jährlichen Stromerzeugung. In einem Editorial in Nature rechnen Wissenschaftler:innen vor, das bis 2100 400 Gigatonnen CO2 entfernt werden müssten, um die Erwärmung auf 1,5 °C zu begrenzen. Die derzeitigen technologischen Verfahren zur CO2-Entfernung machen nur etwa ein Millionstel des durch fossile Brennstoffe ausgestossenen CO2 aus.
KI braucht unglaublich viel Energie
Im Durchschnitt benötigt eine ChatGPT-Anfrage fast zehnmal so viel Strom wie eine Google-Suche. Jahrelang zeigten Rechenzentren einen bemerkenswert stabilen Stromverbrauch, selbst bei steigender Arbeitsbelastung. Die Auslastung von Rechenzentren hat sich zwischen 2015 und 2019 fast verdreifacht. In diesem Zeitraum blieb der Strombedarf der Rechenzentren jedoch relativ konstant bei etwa 200 Terawattstunden pro Jahr. Dies lag daran, dass Rechenzentren immer effizienter wurden. Jetzt, da sich die Effizienzsteigerungen beim Stromverbrauch verlangsamen und die KI-Revolution an Fahrt aufnimmt, schätzt Goldman Sachs Research, dass der Strombedarf von Rechenzentren bis 2030 um 160 % steigen wird.
Derzeit verbrauchen Rechenzentren weltweit 1–2 % des gesamten Stroms, aber dieser Anteil wird bis zum Ende des Jahrzehnts wahrscheinlich auf 3–4 % steigen. In einer Reihe von drei Berichten legen die Analyst:innen von Goldman Sachs Research die Auswirkungen dieses Anstiegs der Stromnachfrage auf die USA, Europa und die Welt dar. In den USA und Europa wird diese erhöhte Nachfrage zu einem Stromwachstum führen, wie es seit einer Generation nicht mehr zu beobachten war. Dabei könnten sich die CO2 Emissionen von Rechenzentren zwischen 2022 und 2030 mehr als verdoppeln.
Aktiv gegen Hoffnungslosigkeit
Wir brauchen mehr als Hoffnung, um den Planeten zu retten.
Es ist wichtig, dass Menschen, die sich für Klimaschutz einsetzen die schwierigen Gefühle die Trauer, die Angst und die Unsicherheit akzeptieren und zulassen, argumentiert die Klimapsychologin Steffi Bednarek. Bednarek warnt davor, dass Botschaften der Hoffnung nicht zu den erforderlichen entscheidenden Massnahmen führen. Die beste Möglichkeit, zum Handeln zu motivieren, sei es, gemeinsam an der Stärkung der Widerstandsfähigkeit zu arbeiten. «Wenn wir gesunde Beziehungen haben, können wir nachhaltig handeln, selbst wenn etwas schiefläuft – nicht, weil Handeln der einzige Ausweg aus psychischer Not ist, sondern weil es das Richtige ist.» Mehr bei DeSmog.
Übersicht über anstehende Abstimmungen und zu Initiativen:
Die Grünen sammeln Unterschriften für ihre Solar-Initiative. Sie will eine Pflicht für Solaranlagen auf Gebäuden.
Die Finanzplatz-Initiative will dafür sorgen, dass Schweizer Banken und Versicherungen nicht länger Projekte unterstützen, die den Klimawandel beschleunigen. Dieser Link führt zum Unterschriftenbogen.